Sind in Spielhallen erzielte Glücksspielumsätze umsatzsteuerfrei?

Dieser Frage hat sich das FG Münster in einem kürzlich ergangenen Beschluss (FG Münster, Beschluss vom 27. Dezember 2021 – 5 V 2705/21 U) gewidmet. Die Antragstellerin, eine Spielhallenbetreiberin, machte bei Abgabe ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für August 2021 geltend, die Glücksspielumsätze seien gemäß Art. 135 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei. Das Finanzamt setzte gleichwohl eine Umsatzsteuervorauszahlung fest und versagte die im Einspruchsverfahren begehrte Aussetzung der Vollziehung.

Das FG Münster gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids. Die Antragstellerin könne sich unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen. Hiernach seien die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien, wobei den Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit verbleibe, Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen. Hierbei müsse jedoch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt werden. Gerade diesen Grundsatz sah das Gericht – nach summarischer Prüfung – als verletzt an. Als Begründung führte es an, virtuelle Geldspielumsätze würden von der Umsatzsteuer befreit, wohingegen sogenannte terrestrische Geldspielumsätze, d. h. solche bei denen die Spieler in den Spielhallen körperlich anwesend sind, umsatzsteuerpflichtig seien.

Nach der Rechtsprechung des EuGHs verbiete es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität indes, gleichartige und daher miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistung hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Ob Gegenstände oder Dienstleistungen gleichartig seien, bestimme sich dabei zuvorderst aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers. Für diesen komme es auf das Spielerlebnis und den erzielbaren Gewinn an. Es spiele für den Durchschnittsverbraucher hingegen keine Rolle, ob er virtuell oder vor Ort in einer Spielhalle spiele. Die vom deutschen Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren erörterten Unterschiede im Hinblick auf die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen der verschiedenen Geldspielangebote seien nach der EuGH-Rechtsprechung unerheblich.

Das FG Münster hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Bislang ist nicht ersichtlich, ob diese bereits eingelegt wurde.

Über die Entwicklung in dieser Angelegenheit halten wir Sie unterrichtet.

 

Fabian van Cleve